„Nicht das Erreichte zählt. Das Erzählte reicht.“
Mitgliederversammlung beim 1. FC Nürnberg… es geht um einen selbst ernannten König, einen pflichtbewussten Radiomoderator, Gänseblümchen und Liebe. Ein Protokoll des ganz normalen Wahnsinns. (Vielen Dank an die Erlanger/ Nürnberger Nachrichten, bei deren Protokoll ich mich mal frech bedient habe.
18:48 Uhr: Mit knapp 20 Minuten Verspätung beginnt die Mitgliederversammlung 2014, bei der es unter anderem um die finanzielle Aufstellung nach dem Abstieg, die sportlich prekäre Situation, die Zukunft von Martin Bader & Co., sowie ein Zukunftskonzept für den 1. FC Nürnberg gehen soll. Oder besser gesagt, gehen sollte.
18.51 Uhr: "Die Legende lebt wieder", steht auf einem Plakat, das Mitglieder mit zur Versammlung gebracht haben. Zur Sicherheit hätte ich einen Defibrillator und eine Magensonde dazu gemalt.
18.56 Uhr: "Auch ohne den gestrigen Erfolg wäre die Mannschaft heute hier anwesend gewesen", sagt Schramm. Die Frage ist natürlich, Warum.
18.59 Uhr: "Geh ham", ruft ein Mitglied aus dem Publikum in Richtung Schramm. Wir stellen fest, uns erwartet ein qualifizierter Gedankenaustausch auf höchstem Niveau. Nichts anderes haben wir erwartet.
19.22 Uhr: Dr. Adrian verkündet, dass heute ein Dringlichkeitsantrag zur Abwahl von Aufsichtsrats-Mitglied Günther Koch eingegangen sei. Großer Applaus.
19.47 Uhr: 1233 Mitglieder wünschen sich, die Wahlen vorzuziehen. Das heißt, nach der Durchführung des Dringlichkeitsantrages werden die Wahlen vollzogen.
19.48 Uhr: Überraschung: Die Mannschaft wird entlassen, "dass sie für das Freitagsspiel nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wird", so Dr. Adrian. Der degradierte Raphael Schäfer bleibt als Einziger. Na also. Auch wenn „die Mannschaft wird entlassen“ auf den ersten Blick durchaus für Erheiterung sorgt.
19.50 Uhr: Dringlichkeitsantrag: Bitte stellen Sie sicher, dass dieses Video (Günther Koch bei BBC) gezeigt wird, damit sich jeder Anwesende ein Bild davon machen kann.
20.02 Uhr: "Hallo, hier ist Nürnberg", meldet sich Günther Koch zu Wort. Er erklärt die Hintergründe seines Auftritts beim BBC. Er lobe im Video Franken als den besseren Teil Bayerns. („Wir melden uns vom Abgrund…“)
20.05 Uhr: Koch rechtfertigt sich: "Solche lustigen Beiträge gehörten und gehören zu meiner Berufsausbildung als freier Journalist." Das hätte er sich aus (aus-) gebildeter Journalist ja aber denken können, dass das wahrscheinlich nicht Jedermanns Humorzentrum trifft!
20.08 Uhr: "Den Club zu lieben bedeutet noch lange nicht, Bayern, Fürth, Augsburg, Dortmund oder Buxtehude zu hassen", sagt Koch. Da hat er ausnahmsweise sogar recht, auch wenn ich gestehen muss das ich Buxtehude schon ziemlich scheiße finde!
20.11 Uhr: Ein weiteres Mitglied ergreift das Mikrofon: "Wollen wir uns mit diesem Dringlichkeitsantrag in ganz Deutschland lächerlich machen?" Buh-Rufe und Beifall vermischen sich. Scheint ein neues Mitglied zu sein, dafür brauchen wir gewöhnlich noch viel weniger als so ein Video.
20.14 Uhr: Günther Koch entschuldigt sich für das Tragen des Bayern-Schals im BBC-Video. Er habe dies auf Wunsch seines Auftraggebers tun sollen. Weiter verteidigt er sich, er habe als Einziger beim Franken-Derby den Club-Schal getragen – trotz Verbot. Rebel Yell!
20.27 Uhr: Endlich wird über den Dringlichkeitsantrag entschieden.
20.33 Uhr: Ergebnis: Für die Dringlichkeit haben 830 Mitglieder gestimmt, gegen die Dringlichkeit 940. Damit wird der Antrag nicht zur Abstimmung zugelassen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit wäre nötig gewesen. Jetzt geht es weiter mit den Wahlen. – Wir haben also, gerechnet ab Versammlungsbeginn um 18:30 Uhr, nur gute zwei Stunden gebraucht um dieses ungemein wichtige, Staatstragende, Zukunftsträchtige Thema zu klären. Herzlichen Glückwunsch!
20.47 Uhr: Nun hat jeder der 16 Kandidaten drei Minuten Zeit, sich vorzustellen. An jeden dürfen Fragen gestellt werden. Das kann also dauern. Es beginnt Johannes Bisping aus Lauf.
20.55 Uhr: Jetzt stellt sich Klaus Daedelow vor, der erste bekennende Unterstützer des Konzepts "Pro Club 2020". "Profi-Fußball ist hartes Geschäft", sagt Daedelow. Und die Schweden sind keine Brasilianer. #phrasenschwein
21.05 Uhr: Stefan Geppert stellt sich vor. "Der Club braucht endlich jemanden, der die Zügel in die Hand nimmt", sagt er. Gänseblümchen. Talente. Neues Stadion. "Allmächd, der Club in der dritten Liga. Wir haben es gar nicht bemerkt." Es sind ja nur drei Minuten, da muss alles unterkommen. Gänseblümchen? Ach so… na dann: Gänseblümchen!
21.22 Uhr: Die einzige Frau im Bunde stellt sich vor. Ruth Höpfel. "Wenn ich mich im Stadion umschaue, sehe ich nicht nur Männer." Die Rede kommt dem Publikum irgendwie bekannt vor, sie ähnelt ihrer letztjährigen Rede stark. In Nürnberg sind halt Profis am Werk!
21.24 Uhr: Höpfel will als Frau in eine Männerwelt eindringen. "Ich kann nur mit meiner Liebe, meiner Leidenschaft dem Club dienen." Frauen, Männer, eindringen… ich glaub ich verwechsel da jetzt was.
21.40 Uhr: Nun steht Marc Oechler am Rednerpult. Er kritisiert Bader, indem er rhetorische Fragen stellt: "Wer ist verantwortlich, dass nach dem Abstieg 22 Spieler
gegangen sind?" Oechler für Nürnberg, Bader raus!
21.54 Uhr: Darauf haben wohl alle gewartet: Hanns-Thomas Schamel ist an der Reihe.
21.55 Uhr: Schamel: "Warum kämpfe ich gegen Inkonsequenz und Intrigen? Einzige Antwort: Weil ich ein Clubherz habe wie ein Bergwerk." #fendrich #plagiat #rummenigge Hoffentlich hat er seine Rede wenigstens nicht gesungen.
21.59 Uhr: Die drei Minuten sind eigentlich schon vorbei. Doch Schamel wird immer wieder unterbrochen, dafür bekommt er einen Zeit-Aufschlag. Er sorgt selbst für Ruhe: "Ja, hältst jetzt deinen Mund!"
22.18 Uhr: Schramm: "Ich halte es für eine Stärke von mir, dass ich in all den Jahren einen harmonischen, aber auch kritischen Aufsichtsrat geführt habe." Ja, besonders in den letzten Tagen und Wochen machte dieser AR einen geradezu unfassbar harmonischen Eindruck. Wieder: Liebe. Und kritisch war man auch eher den eigenen Kritikern gegenüber.
22.28 Uhr: Es geht gerade um den bizarren Auftritt von Günther Koch am Valznerweiher am Montag nach dem Heidenheim-Spiel, als er nicht bei einer Besprechung zwischen Schramm, Bader und Wolf dabei war. Koch: "Ich bin nicht ausgesperrt worden, ich bin nur nicht reingelassen worden." Bader schüttelt den Kopf. Ausgesperrte immer bei uns! Sektion Aufsichtsrat-Verbot!
22.34 Uhr: Zeck: "Ja, ich bin Sportjournalist und Vereinsvorsitzender von Eintracht Bamberg und bewerbe mich trotzdem." Und weiter: "Ich kann von mir behaupten, ich habe Vereinstätigkeit von ganz unten kennengelernt." Radioreporter-Kollege Günther Koch schüttelt nach Zecks Rede den Kopf.
22.42 Uhr: Kleine Verschnaufpause in der Frankenhalle. Die geheime Wahl der Aufsichtsratsmitglieder beginnt. Bis die Stimmen ausgezählt sind, kann es dauern. Über vier Stunden rum, nix geleistet, phänomenal.
23.50 Uhr: Es geht direkt los mit der Präsentation des Wahlergebnisses. In den Aufsichtsrat wurden gewählt: Stefan Müller (1007 Stimmen), Dr. Thomas Grethlein (835), Mathias Zeck (704). Damit kann man wahrscheinlich leben.
23.52 Uhr: Hanns-Thomas Schamel, der nur 440 Stimmen erhielt, tritt im zweiten Wahlgang nicht mehr an. "Ich nehme es sportlich, ich habe das verloren." Wohl aber nicht zwangsläufig deswegen WAS er vorhatte, sondern WIE er es kommuniziert hat. Dieses Gebaren erinnerte mich doch stark an einen ehemals starken Erlanger Verein mit einem ehemals starken Vorsitzenden und seinem Geister-Investor. #nosleeptillbruck Schamel kann sich ja jetzt bei Radio F (mit Mathias Zeck...) als Marmeladenkönig ein zweites Standbein aufbauen.
23.56 Uhr: Neue Runde, neues Glück. Jetzt werden zwei Ersatzmitglieder für zwei ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglieder gewählt.
00.07 Uhr: Während die Stimmzettel ausgezählt werden, wird der Sportliche Bericht für das Geschäftsjahr 2013/14 vorgestellt. Martin Baders Part. Das „Geschäftsjahr“ endete mit dem erneuten Abstieg, einer katastrophalen Saisonleistung, drei verbrauchten Trainern, dem sportlichen Ausverkauf und einem grandios versemmelten „Neubeginn“. Und dann darf dieser verkappte Bergprediger wieder von uns als 1. FC Nürnberg erzählen und wo wir, wie weit sind oder auch nicht… Heimat deine Sterne!
00.10 Uhr: Bader: "Ich habe selbstverständlich persönlich überlegt, den Weg frei zu machen." "Bader raus"-Rufe unterbrechen die Rede kurz. "Du machst den Verein kaputt", schreit ein Mitglied von den Rängen. Na klar. Hat der Honecker auch immer gesagt, dann seine Mauer hochgezogen, eine Banane gegessen und in sich rein gegrinst.
00.20 Uhr: Der Sportvorstand zur Nachwuchsarbeit beim Club: "Die Ausbildung steht vor der Platzierung in der Tabelle." Du Schwafelhannes! Weil wir in den letzten Jahren ja auch so unfassbar viele Talente rausgebracht und auf die Sportwelt losgelassen haben!
00.22 Uhr: "Wir müssen uns eingestehen, dass die sportliche Situation kein Zufall ist, sondern eine Folge von Fehleinschätzungen", sagt Bader. Quasi das Ergebnis seiner täglichen Arbeit!
00.30 Uhr: Applaus für Martin Bader. Jetzt spricht Ralf Woy. Unter anderem über die finanziellen Auswirkungen des Abstiegs: "Uns fehlen hier 25 bis 30 Millionen Euro." Also wenn hier was klatscht dann dürfte es definitiv kein Applaus sein! 25 Millionen fehlen mir auch, aber das kann ja alles keine ganz neue Erkenntnis sein. Ist ja schließlich nicht der erste Abstieg in den letzten Jahren.
00.50 Uhr: Jetzt werden Vergleiche mit dem Hamburger SV ausgepackt. Woy: "Eine finanzielle Entwicklung wie beim HSV in den letzten Jahren darf es beim 1. FC Nürnberg nicht geben." Geb ich ihm zu 99% recht. Zu 100%, wenn einem HSV dann aber auch mal entsprechende Konsequenzen drohen würden. Aber die wursteln ja auch fröhlich weiter, singend und tanzend in ihr nasses Grab. #yoho und ne Buddel voll Rum!
01.00 Uhr: Es schlägt 1 Uhr. Die Ergebnisse zur Wahl der Ersatzmitglieder sind da. Johannes Bisping (962 Stimmen) und Prof. Dr. Rainer Gömmel (734) haben es geschafft. Klaus Schramm und Siegfried Schneider sind somit endgültig raus aus dem Aufsichtsrat.
01.04 Uhr: Koch und Schramm schütteln sich die Hand. Aufsichtsrat Schmitt sagt: "Ich wünsche mir, dass Frieden in den Verein einkehrt." Und Liebe natürlich.
01.12 Uhr: "Herr Bader, Herr Bader" – die Aussprache zu den Berichten ist in vollem Gange, ein Fürther Club-Mitglieder ist am Mikro.
01.26 Uhr: Es plätschert so dahin. "Siggi" Schneider gönnt sich ein Nickerchen. #profi
02.00 Uhr: Tagesordnungspunkt 5 ist durch. Jetzt kommt 6a, die Entlastung des Vorstands. Es wurde für die Entlastung gestimmt. Na klar, es gab und gibt ja auch überhaupt gar keine Gründe dem eventuell zu widersprechen, gell.
02.08 Uhr: Es wird nochmal bunt. Die Vereinsfarbe "clubrot" steht zur Diskussion. Mir wird das jetzt bald zu bunt…
02.20 Uhr: Die Satzungsänderung über Vereinsfarben ist beschlossen. Jetzt geht es um Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre.
02.28 Uhr: Der Antrag wurde abgelehnt. Weiterhin darf erst mit 18 Jahren gewählt werden. Epische Entscheidung.
02.37 Uhr: Schmitt bezeichnet Kochs Vorstellung von 20 bis 30 Tausend Club-Mitgliedern als eine "Phantasie", er solle "die Kirche im Dorf lassen."
02.42 Uhr: Eigentlich geht es gerade um die Abstimmung zur Anzahl der benötigten Mitglieder für eine Außerordentliche Mitgliederversammlung. Die benötigte Mehrheit wurde nicht erreicht. „Erreicht“, so wirklich, das man sagt, man hat was geschafft, wurde hier heute irgendwie gar nichts!
02.45 Uhr: Nach acht Stunden ist das Wichtigste gesagt und entschieden. Nur noch nicht von jedem… Ende der Vorstellung.
Fazit: Es wäre vielleicht nicht alles besser geworden, wenn es anders geworden wäre. Aber es hätte sich etwas ändern müssen um vielleicht besser zu werden. „Der große Wurf“ gelingt ja selten mit kurzem Anlauf aber das so rein gar nichts passiert ist… das stimmt mich nachdenklich. Hoffentlich trauern wir hier nicht irgendwann – mal wieder – einer verpassten Chance hinterher. Schließen möchte ich somit mit einem Zitat von Berthold Brecht: „So sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen."